Hartnäckig halten sich Sprüche wie: „Ein Glas Wein am Tag ist doch gesund“. Neue Studien belegen das Gegenteil. Sie zeigen, dass die Gefahren durch Alkoholkonsum noch immer nicht umfassend genug beleuchtet werden. Auch bei kleinen Konsummengen sind erhöhte Krebsrisiken nachgewiesen, ebenso wie anhaltende Gehirnschäden. Die Studienlage schauen wir uns genauer an und zeigen auch auf, wie Chiropraktik bei gesunden Entscheidungen unterstützen kann.
Um gleich zum Kern aktueller Erkenntnisse zu kommen: Gehirnschäden durch Alkohol werden deutlich unterschätzt – speziell die Auswirkungen von Alkohol auf die Wahrscheinlichkeit einer Demenzerkrankung. Zu diesem Ergebnis kommen mehrere Studien der letzten zwei Jahre.
Wie viel ist zu viel?
Es ist allgemein bekannt, dass übermäßiger Alkoholkonsum die Gesundheit schwerwiegend beinträchtigen kann und unter anderem die Leber schädigt. Um Erkrankungen wie Leberzirrhose auszulösen, sind in der Regel etwa 21 Alkoholeinheiten pro Woche nötig – also zwei Flaschen Wein pro Woche oder anderthalb Liter Bier pro Tag.
Die Leber ist jedoch nicht das einzige Organ, das durch Alkoholkonsum geschädigt werden kann. So muss ein bereits weitaus geringerer Alkoholkonsum nach der Forschungslage mit einem erhöhten Demenzrisiko in Verbindung gebracht werden: Eine kürzlich veröffentlichte Studie1 ergab, dass selbst mäßiger Alkoholkonsum mit einer Verringerung des Gehirnvolumens verbunden ist. In dieser Studie lieferten die Forschenden klare Belege für einen signifikanten Zusammenhang zwischen leichtem Alkoholkonsum – im Durchschnitt etwa 2 Drinks pro Woche – und beschleunigter Hirnalterung.
Hochkonsumland Deutschland
Alkoholkonsum ist gesellschaftlich akzeptiert und weit verbreitet. Laut der National Survey on Drug Use and Health (USA) von 2018 konsumieren 87 Prozent der erwachsenen Amerikaner und Amerikanerinnen im Alter von 21 Jahren oder älter Alkohol.1 Auch Deutschland weist im internationalen Vergleich seit vielen Jahren einen sehr hohen Alkoholkonsum auf. Der Gesamtverbrauch an alkoholischen Getränken stieg im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr im Durchschnittswert auf unfassbare gut 120 Liter Fertigware pro Kopf der Bevölkerung ab 15 Jahren.2
Obwohl bekannt ist, dass übermäßiger Alkoholkonsum zu einer Reihe von langfristigen Gesundheitsrisiken führen kann – einschließlich eines erhöhten Risikos für Brustkrebs, Lebererkrankungen und Bluthochdruck – ist weniger über die Risiken bekannt, die mit einem geringen oder moderaten Alkoholkonsum verbunden sind. Geringer Alkoholkonsum wird gemeinhin als unbedeutend oder sogar vorteilhaft für die allgemeine Gesundheit angesehen. Einige Berichte behaupten, dass er vor Demenz oder kardiovaskulären Risiken schützen könne. In neueren Forschungen wird jedoch gezeigt, dass schwer nachweisbare kardiovaskuläre Vorteile eines leichten Alkoholkonsums im Zusammenhang mit den unzähligen negativen gesundheitlichen Folgen betrachtet werden müssen. Mit breiter Studienlage nachgewiesen erhöht Alkoholkonsum die Risiken für Tuberkulose, Pankreatitis, Zirrhose und Krebserkrankungen wie Brust-, Lippen- oder Mundhöhlenkrebs.
Zurück zum Thema Gehirn: Die Forschenden dieser erwähnten jüngsten Studie1 untersuchten 300 Personen im Alter zwischen 39 und 45 Jahren, um die Auswirkungen des Alkoholkonsums auf das Gehirn zu verstehen. Die meisten Studienteilnehmenden gaben an, dass sie mäßig oder risikoarm tranken. Selbst bei dieser Menge wurde auf den Gehirnscans eine Verringerung des gesamten Gehirngewebes festgestellt. Dies galt sowohl für Männer als auch für Frauen, auch unter Einbezug anderer Risikofaktoren, wie z.B. Rauchen. Ihre Gehirne wurden mit einem Referenzmodell für das durchschnittliche Gehirnvolumen verglichen. Neurowissenschaftlich wurde dafür gezielt nach Gedächtnisveränderungen gesucht.
Im Zusammenhang mit der Hypothese des vorzeitigen Alterns wurde in Neuroimaging-Studien die Wechselwirkung von Alkoholkonsum und Alterung auf die Hirnmorphologie untersucht, indem altersbedingte Veränderungen der grauen Substanz bei einer gesunden Gemeinschaftsstichprobe ohne größere psychiatrische Störungen mit denen von starken Trinkern und Trinkerinnen verglichen wurden. Heute gilt als erwiesen, dass die Frontallappen des Gehirns durch Alkohol bereits in einem früheren Stadium geschädigt werden als die Teile des Gehirns, die mit dem Gedächtnis in Verbindung stehen. Die Frontallappen steuern unsere Persönlichkeit, unser Verhalten und unsere Fähigkeit zu flexiblem Denken. Diese Fähigkeiten werden in Tests, die üblicherweise zur Diagnose von Demenz eingesetzt werden, nie erfasst. Wenn wir jedoch in einem Maße trinken, das die Allgemeinheit für vernünftig und maßvoll hält, zeigt die Studienlage deutlich: Dies schädigt unser Gehirn langsam und umfassend. Speziell die sogenannten Babyboomer (Menschen im Alter von heute 55 bis 74 Jahren) gelten als Risikogruppe, da sie im Vergleich zu anderen Generationen – auch früheren gleichen Alters – den stärksten Anstieg der alkoholbedingten Schäden verzeichnen. Sie haben so auch ein klar erhöhtes Risiko, an Demenz zu erkranken.
Diese Ergebnisse ähneln denen einer früheren Studie, in der festgestellt wurde, dass ein wöchentlicher Alkoholkonsum zwischen sieben und 14 Einheiten mit einer geringeren Gehirngröße verbunden ist. Dieser Alkoholkonsum wurde auch mit einer schlechteren Leistung bei Fähigkeiten in Verbindung gebracht, bei denen es darum ging, sich bei Bedarf an gespeicherte Wörter zu erinnern.3 Wissenschaftlich wird dort zusammengefasst: Die gesunde Menge an Alkohol liegt nach einem gewichteten Modell der mit dem Alkoholkonsum verbundenen relativen Gesamtgesundheitsrisiken bei genau null alkoholischen Getränken pro Tag. Jeden Tag.
Bewusst leben
Die gute Nachricht ist: Abstinenz hilft bei der Regeneration. Schon nach sechs Wochen Alkoholverzicht beginnt das Gehirn messbar mit dem Wiederaufbau im Frontallappen. Beginnt, wohlgemerkt. Wenn wir die Trinkmenge also auf ein Minimum reduzieren oder ganz auf Alkohol verzichten, können wir das Risiko von Hirnschäden verringern. Dies kann jedoch nur geschehen, wenn wir auch einen Lebensstil pflegen, der eine gesunde Ernährung und Bewegung umfasst. Es geht darum, gute Entscheidungen zu treffen. Bereits Daniel David Palmer (1845–1913) hielt vor über 100 Jahren drei Ursachen für Subluxationen fest („trauma, toxins, thoughts“):
- Trauma: Direkter körperlicher Stress durch Unfälle, Fehlbelastung oder Bewegungsmangel
- Toxine: Toxische Einflüsse z.B. durch falsche Ernährung, Umweltgifte, Drogen, Medikamente u.ä.
- Gedanken (Thoughts): Emotionaler Stress durch psychische Traumata oder Überlastung, negativen inneren Dialog u.ä.
Und diese drei Ebenen gilt es zu berücksichtigen. Justierungen können das Umdenken natürlich unterstützen. Leider ist unser Gehirn sehr hartnäckig. Kompensationsprogramme, auch in Sachen Konsum, bleiben im Gehirn abgespeichert. Man kann sie definitiv nicht endgültig löschen, sondern nur bei Bedarf durch Justierungen immer wieder überschreiben. Dabei besteht die gemeinsame Herausforderung zwischen chiropraktisch Behandelnden und Behandelten darin, das stressreduzierende und für Erholung sowie Regeneration zuständige parasympathische System zu stärken.
Wenngleich häufig Symptome wie Schmerzerleben den Start einer Zusammenarbeit markieren, ist die neurologische Aktivierung das eigentliche Anliegen chiropraktischer Behandlungen. Ziel ist die anhaltende und dauerhafte Stärkung der neuronalen Netzwerke, um vermehrt gesunde Entscheidungen zu treffen. Ob bewusst hinsichtlich Konsum und Verhalten oder auch unbewusst in den Regulationsprozessen des Körpers.